Immer gut beraten!

Eine kurzfristige Konkretisierung der Arbeitszeit durch SMS muss seitens des Arbeitnehmers zur Kenntnis genommen werden

Auch in der Freizeit ist der Arbeitnehmer verpflichtet eine kurzfristige Weisung (im vorliegendne Fall: per SMS), mit der die Arbeitsleistung für den nächsten Tag nach Ort und Zeit konkretisiert wird, zur Kenntnis zu nehmen. Tut er dies nicht und erscheint daher nicht pünktlich am Arbeitsort hat er keinen Vergütungsanspruch. Ebenso wurde der Anspruch auf Entfernung der im konkreten Fall erfolgten Abmahnung durch das Bundesarbeitsgericht verneint. Die Zeit für die Kenntnisnahme der SMS stellt nach Auffassung des Gerichts auch keine Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn dar. Die Möglichkeit der kurzfristigen Konkretisierung war im konkreten Fall betrieblich geregelt und den Mitarbeitern bekannt.(BAG, Urt. vom 23.08.2023, AZ.: 5 AZR 349/22)

Kein Ruhen des Krankengeldanspruches, wenn der Vertragsarzt die Arbeitsunfähigkeitsdaten nicht unmittelbar an die Krankenversicherung übermittelt

Zum 01.01.2021 wurde die Pflicht der unmittelbaren elektronischen Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten an die Krankenkasse durch den Vertragsarzt eingeführt. Hiermit ist nach Auffassung des 3. Senats des Bundessozialgerichts die Obliegenheit Versicherter zur Meldung einer vertragsärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit entfallen. Ein Anspruch auf Krankengeld besteht demnach, auch wenn der Vertragsarzt die AU-Daten nicht unmittelbar weitergeleitet hat. Die beklagte Krankenkasse, die mangels rechtzeitiger Information von einem Ruhen des Anspruches ausging, hatte keinen Erfolg (BSG, Urt. vom 30.11.2023, AZ.: B 3 KR 23/22 R )

Begleitung einer Vertrauensperson bei Begutachtung grundsätzlich zulässig

Das Bundessozialgericht hat klargestellt, dass, wer sich für ein medizinisches Sachverständigengutachten persönlich untersuchen lassen muss, sich von einer Vertrauensperson begleiten lassen darf. Nur wenn im Einzelfall die Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege nicht möglich sei, könne der Ausschluss der Vertrauensperson gerechtfertigt sein, so das BSG in einer Angelegenheit aus dem Schwerbehindertenrecht (BSG, Urt. vom 27.20.2022, AZ.: B 9 SB 1/20 R )

Arbeitnehmerüberlassung bis zu 48 Monaten zulässig

So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden und die Klage eines Leiharbeitnehmers, mit der das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses mit dem entleihenden Unternehmen geltend gemacht wurde, abgewiesen. Demnach könne in einem Tarifvertrag abweichend von den gesetzlichen Regelungen eine Höchstdauer der Überlassung von 48 Monaten vereinbart werden. Diese Vereinbarung gilt unabhängig von der Tarifgebundenheit für Arbeitsverhältnisse der betroffenen Branche (BAG, Urt. vom 14.09.2022, AZ.: 4 AZR 83/21 )

zugeflossenes Trinkgeld ist nicht grundsätzlich bei Berechnung des Alg 2-Anspruches als Einkomen zu berücksichtigen

Das hat das Bundessozialgericht mit seiner Entscheidung vom 13.07.2022 festgestellt. Demnach handelt es sich bei Trinkgeld um eine nicht zu berücksichtigende Zuwendung im Sinne des § 11 a Abs. 5 SGB II. Maßgeblich kommt es aber auf die Höhe der Einnahmen an. Im konkreten Fall sind die Trinkgeldeinnahmen nicht so hoch gewesen, dass dadurch die Erbringung von Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt gewesen wäre. Danach hängt also die Berücksichigung von Trinkgeldeinnahmen von der Höhe und dem Verhältnis zum maßgebenden Regelbedarf ab. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist regelmäßig dann keine leistungsmindernde Berücksichtigung geboten, wenn die Höhe des Trinkgelds 10 % des Regelbedarfes nicht übersteigt (BSG, Urt. v. 13.07.2022, AZ.: B 7/14 AS 75/20 R)

Beitragsbemessungsgrenze nach deutschem Recht für ehemaligen "Grenzgänger" anwendbar

Mit seiner Entscheidung vom 29.03.2022 wies das Bundessozialgericht mit dieser Begründung die Revision zurück, mit der der Kläger geltend machte, die tatsächliche Arbeitsvergütung, die er als Grenzgänger in der Schweiz erhalten hat, muss bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes zugrunde gelegt werden. Der erkennende Senat sieht dies anders - demnach folgt aus der Anwendung des SGB III zwingend auch die Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze. Die Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes habe daher in gleicher Weise zu erfolgen, als hätte der Kläger in Deutschland Arbeitsentgelt erzielt. Unterschiedliche Leistungen im Beschäftigungs- und Wohnsitzstaat, so führt der Senat aus, seien keine Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer sondern Folge der fehlenden Harmonisierung des einschlägigen Unionsrechts (BSG, Urt. v. 29.03.2022, AZ.: B 11 AL 4/21 R)

Härtefallmehrbedarf kann grundsätzlich auch für die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen durch das Jobcenter bewilligt werden

Eine Beschränkung auf Beziehungen zu Personen, für die der Schutzbereich des Art. 6 Abs 1 GG eröffnet ist, verneint das Bundessozialgericht. Ein unabweisbarer Bedarf, so heißt es, setze ein besonderes Näheverhältnis voraus. Unstreitig liegt ein solches bei sogenannten Verantwortungs- u Einstandsgemeinschaft vor. Ausreichend sei es aber auch, wenn die betroffenen Personen in einer ähnlich engen, exklusiven und gegenüber allen anderen zwischenmenschlichen Beziehungen prioritären Beziehung gelebt haben (BSG, Urt. v. 26.01.2022, AZ.: B 4 AS 3/21 R)

Kein Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit

Die vollständige Befreiung von der Arbeitspflicht aufgrund von Kurzarbeit führt dazu, dass dies bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen ist. Dieser ist dadurch geringer. Der Urlaubsanspruch wird an den Tagen mit Arbeitspflicht bemessen. Hierzu zählen nicht die aufgrund Kurzarbeit ausgefallenen Tage. Eine Gleichstellung ist nicht geboten. Ausgehend von dem gesetzlichen Urlaubsanspruch gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG sah das Bundesarbeitsgericht die Neuberechnung des anteiligen Urlaubs als rechtmäßig an. (BAG, Urt. v. 30.11.2021, AZ.: 9 AZR 234/21)

Homeoffice und Anerkennung eines Arbeitsunfalls

Das Bundessozialgericht hat den Sturz auf einer Treppe in den privaten Wohnräumen des Klägers auf dem Weg zu seinem Büro im oberen Stockwerk als Arbeitsunfall anerkannt. "Ausnahmsweise", so der erkennende Senat, kann ein Betriebsweg auch im häuslichen Bereich sein. Der Kläger habe mit dem Beschreiten der Treppe eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollen und diese Handlungstendenz werde durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt. Als Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme an diesem Tag, war dieser somit versichert. (BSG, Urt. v. 08.12.2021, AZ.: B 2 U 4/21 R)

Erschütterung des Beweiswertes einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Fall, in dem nach Eigenkündigung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt wurde, die genau für den Zeitraum der laufenden Kündigungsfrist die Arbeitsunfähigkeit bestätigte, den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verneint. Nach Auffassung des Senats war der Beweiswert der AU-Bescheinigung durch die zeitliche Übereinstimmung der beiden Zeiträume erschüttert. Hier hätte es der klagenden Arbeitnehmerin oblegen, weitere Nachweise beizubringen. Dies hat sie nicht getan. Das Gericht sah somit die Arbeitsunfähigkeit nicht als erwiesen an und wies die Klage ab. (BAG, Urt. v. 08.09.2021, AZ.: 5 AZR 149/21)

Einschränkung des Anspruchs schwerbehinderter Menschen auf Einladung zum Vorstellungsgespräch

Bewerben sich schwerbehinderte Menschen oder einen schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Personen auf eine Stellenausschreibung eines öffentlichen Arbeitgebers muss dieser sie grundsätzlich zu einem Vorstellungsgespräch einladen. So sieht das § 165 Satz 3 SGB IX vor. Jedoch ist eine Einladung dann nicht erforderlich, wenn es an der fachlichen Eignung offensichtlich fehlt. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts kann dies der Fall sein, wenn eine bestimmte Mindestnote des geforderten Ausbildungsabschlusses verlangt wird. Die vor Benachteiligung geschützten Personen, so das Gericht weiter, sind der Bestenauslese (33 Abs. 2 GG) unterworfen und können daher keinen Anspruch auf Einladung zum Gespräch geltend machen. (BAG, Urt. v. 29.04.2021, AZ.: 8 AZR 279/20)

Befristete Erwerbsminderungsrente schließt nicht eine betriebliche Invaliditätsversorgung aus

Mit seiner Entscheidung vom 13.07.2021, AZ.: 3 AZR 445/20, hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass der Anspruch aus einer betrieblichen Zusage auf eine Invaliditätsversorgung unabhängig davon entsteht, ob die gesetzliche Rentenversicherung wegen der gesundheitlichen Einschränkungen eine Erwerbsminderungsrente nur auf Zeit gewährt. Im konkreten Fall nahm die betriebliche Versorgungszusage Bezug auf eine „voraussichtlich dauernde völlige Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts“. Hierfür ist, so der erkennende Senat, eine befristete Gewährung der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente ohne Bedeutung, da es sich hier lediglich um eine Verfahrensvorschrift handelt und nicht den Begriff der dauernden völligen Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts definiert.

Vergütung für eine aus dem Ausland entsandte Pflege- und Haushaltskraft

Pflegekräfte, die als Arbeitnehmer in privaten Hauhalten leben und dort pflegebedürftige Menschen versorgen und betreuen (sogenannte „Live-ins“), haben Anspruch auf den in Deutschland geltenden Mindestlohn. Dies gilt auch dann, wenn der Betreuung ein Arbeitsvertrag mit einer ausländischen Arbeitsagentur zu Grunde liegt. Der Anspruch auf Mindestlohn umfasst nicht nur die vertraglichen Arbeitszeiten, sondern die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden einschließlich der Bereitschaftszeiten. Dies hat das Bundesarbeitsgericht am 24.06.2021, Az.: 5 AZR 505/20, klargestellt. Selbstständige Pflegepersonen werden von dieser Regelung nicht erfasst. Aufgrund des Risikos bei einer Statusfeststellung als „scheinselbständig“ eingestuft und die Sozialversicherungspflicht bejaht zu werden, sollte vor Aufnahme der Beschäftigung bei der Rentenversicherung ein Antrag auf Statusfeststellung gestellt werden.

Berechnung der Pflichtarbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen

Arbeitgeber sollten eine aktuelle Entscheidung des Bundessozialgerichts zum Anlass einer Überprüfung nehmen, ob ihre Berechnung der Pflichtarbeitsplätze den höchstrichterlichen Kriterien entspricht: § 154 Abs. 1 SGB IX verpflichtet Arbeitgeber zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen, wenn sie im Jahresdurchschnitt monatlich mindestens 20 Arbeitsplätze haben. Werden diese Pflichtarbeitsplätze nicht nach Maßgabe der gesetzlichen Normen besetzt, ist eine Ausgleichsabgabe zu leisten. Über die Festsetzung dieser Ausgleichsabgabe hatte das Bundessozialgericht nun zu entscheiden. Maßgeblich war hier die Berechnung der Zahl der Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen. Nach Auffassung des erkennenden Senats dürfen Personen, die einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation zugewiesen sind und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten nicht mitgezählt werden. Die geforderte „Eingliederung“ in den Betrieb werde hierdurch nicht erreicht. Ein Maßnahmeteilnehmer sei nicht vergleichbar mit „eigenem Personal“. Dies ist aber Voraussetzung, um die gesetzliche Pflicht zu erfüllen, BSG 04.03.2021, B 11 AL 3/20 R

SGB II: Keine Berücksichtigung von Raten aus Studienkredit als Einkommen

Das BSG hat am 08.12.2020 (AZ.: B 4 AS 30/20 R) unter Hervorhebung der Eigenverantwortung entschieden, dass auch Hilfebedürftige ihren Lebensstandart für die Übergangszeit des Leistungsbezuges durch Darlehen, für die sie später selbst einzustehen haben, auf einem Niveau zu erhalten, das unabhängig von der Höhe der Grundsicherungsleistungen ist. Ein Darlehen stelle keinen wertmäßigen Zuwachs zur endgültigen Verwendung dar, sondern stehe, so das BSG, lediglich nur vorübergehend zur Verfügung. Anderes gilt für darlehensweise gewährte Sozialleistungen.

Arbeitslosengeld 1 und Übernahme von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung

Mit seinen Entscheidungen vom 28.05.2020 (AZ.: L 9 AL 56/19 und L 9 AL 155/18) hat das Landessozialgericht NRW Beziehern von Arbeitslosengeld 1, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, einen Beitragszuschuss zugesprochen und damit die vollständige Übernahme der Beiträge durch die Bundesagentur für Arbeit ausgeschlossen. Der Beitragszuschuss - so der erkennende Senat unter Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des BSG - könne höchstens bis zu dem Beitrag, der an die gesetzliche Krankenversicherung zu entrichten ist, erfolgen. Für die Beiträge zur privaten Pflegeversicherung gilt dies entsprechend.

Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz - bei Jugendlichen gelten besondere Maßstäbe

Wie das BSG in einer aktuellen Entscheidung am 06.10.2020 festgestellt hat, ist bei der Prüfung, ob es bei Ausübung einer durch die gesetzliche Unfallversicherung abgesicherten Tätigkeit zu einem Unfall gekommen ist, den „altersbedingter Gegebenheiten wie Übermut, Spieltrieb, Gruppendynamik und Fehleinschätzung der Gefahrenlage“ Rechnung zu tragen. Im konkreten Fall hatte eine Jugendliche im Rahmen ihres Freiwilligen Sozialen Jahres, an einem einwöchigen Seminar teilgenommen und sich hierbei beim Springen auf einem Hüpfkissen verletzt. Der 2. Senat des BSG bejahte den inneren Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit und bestätigte das Vorliegen eines Arbeitsunfalles gemäß § 8 SGB VII. Dies eröffnet den Leistungskatalog der gesetzlichen Unfallversicherung, wie z. B. Heilbehandlungsmaßnahmen, medizinische Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z.B. Umschulung), Geldleistungen an Versicherte (z.B. Lohnersatzleistungen und Rentenleistungen).